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Untergang des Abendlandes oder seine Utopie?

Das Treffen findet am 21.März.2018 um 18 Uhr im Kreiskirchenamt statt.

Ein weiterer Aspekt des Umbruchjahres 1918 ist die philosophische Frage, ob der geschilderte politische Wechsel von der Monarchie zu einer neuen Staatsform eher ein Grund für Untergangsstimmung oder für Aufbruchsstimmung ist? Wer moderne politische Programme im nationalen, europäischen oder globalen Kontext vergleicht, wird sowohl auf rückwärts- und vorwärtsgewandte als auch auf traditionalistische und utopistische stoßen. Zu ihrem besseren Verständnis kann die Beschäftigung mit philosophischen Modellen beitragen, die sich durchaus jeweils – mutatis mutandis – auf diese beiden Tendenzen reduzieren lassen, auch wenn sie insgesamt komplexer sind.

Im ersten Märztreffen sollen daher die Ansätze von Ernst Bloch und Oswald Spengler von 1918 im Mittelpunkt stehen, Ersterer nach eigenem Bekunden nach vorn, Letzterer eher zurückschauend. Ernst Bloch plädierte 1918 in seinem in München veröffentlichten Werk „Geist der Utopie“ für die Bewahrung des kindlichen Spielens und Bastelns, um nicht zu den „trocken gewordenen, einfallslosen Menschen“ zu gehören. Für ihn bietet die Nachkriegszeit mit der Notwendigkeit zu handwerklichem Tun eine Chance dazu. Auf diese Weise lasse sich (ähnlich wie bei den ersten Menschen und ihren primitiven Werkzeugen) Utopie ohne Ablenkungen in Angriff nehmen – und die Menschwerdung als freier Mensch.
Auch Oswald Spengler versuchte im fast gleichzeitig erschienenen Werk „Der Untergang des Abendlandes“ rückwärts und nach vorn zu schauen. Bei dem Versuch, Geschichte vorauszubestimmen, greift er auf das antike Bild der verschiedenen Kulturstadien zurück, um der Logik der Geschichte auf die Spur zu kommen, in der die gemeinsame Struktur weltgeschichtlicher Ereignisse deutlich werde. Indem er „Individuen höherer Ordnung“ wie „die Antike”, „die chinesische Kultur” oder „die moderne Zivilisation” denkend (und handelnd) einführt, sucht er die Stufen aufzufinden, die von allen Menschen ausnahmslos durchschritten werden müssten, um zu einer höheren zivilisatorischen Stufe zu gelangen. Auf diese Weise würde deutlich, dass die für alles Organische grundlegenden Begriffe Geburt, Tod, Jugend, Alter, Lebensdauer einen tieferen, jedoch unerbittlichen Sinn zeigten, den noch niemand bisher erschlossen habe, indem allem Historischen allgemeine biografische Urformen zugrunde lägen.
Ähnlich wie auf philosophischer Ebene lässt sich diese Dialektik von Rück- und Vorausblick auch auf
theologischer Ebene beobachten, die beim zweiten Märztreffen thematisiert wird. Religionspsychologische Studien mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen zeigen immer deutlicher die Einflüsse des Gottesbildes auf das Selbst- und Weltbild eines Menschen, vor allem im Blick auf Resilienz. Die besondere Krisensituation 1918 macht diese Frage daher interessant.
Erörtert werden soll sie an zwei sehr konträren Theolog(i)en und ihren Äußerungen aus dieser Zeit.
Während Emanuel Hirsch sich als Professor und Dekan in Göttingen zum Handlanger des NS-Regimes machte, trat Karl Barth als wichtiger Repräsentant der „Bekennenden Kirche“ auf. Diese Konstellation regt zur Diskussion über das Verhältnis von Biografie und Werk, aber auch über den Einfluss theologischer auf politische Überzeugungen an.
Während Emanuel Hirsch sich 1918 mit Luthers Gottesbild als Mitte lutherischen Denkens und Handelns befasste, kommentierte Karl Barth den auch von Luther sehr geschätzten Römerbrief und betonte dessen Allgemeingültigkeit.